Ein kleiner Exkurs in die Geschichte der Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag e. V.
Mitten in noch ziemlich verstaubten, aber sich bereits anbahnenden wirtschaftswunderlichen Zeiten, erlebte der deutsche Politikbetrieb im Bonner Provisorium eine echte Sensation. Im Oktober 1951 wurde die Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag e. V. gegründet – eine parlamentarisch weltweite Einmaligkeit zu dieser Zeit.
Die ersten „Bonner Jahre“ waren von Findungs- und Orientierungsprozessen, Aufräumarbeiten in den eigenen Reihen und somit auch von Kontroversen und politischen Auseinandersetzungen gekennzeichnet. Das forderte von den Volksvertretern erste seelische und körperliche Tribute und man besann sich auf die ausgleichende Wirkung des Sports. Es nahte die Geburtsstunde der Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag e.V.
Erste sportliche Aktivitäten fanden aufgrund von Raumnot noch im „Kraftfahrer-Schlafraum“ des Bonner Bundeshauses statt. Politikbetrieb war dort ja vorgesehen, aber Sportbetrieb eben nicht. Daher war es zunächst schwierig, geeignete Räumlichkeiten zu finden. Schon damals nutzten die Sportgruppen externe Hallen und Plätze. Das ist im Prinzip bis heute so, auch wenn sich die Sportstättensituation im Vergleich zu damals bundestagsintern erheblich verbessert hat.
Heute dürfen wir bundestagseigene Sportstätten - eine Halle sowie einen kleinen Fitness- und einen mittelgroßen Gymnastikraum - im Paul-Löbe-Haus am Spreeufer nutzen. Dadurch können viele Aktivitäten in Räumlichkeiten stattfinden, die für MdB, MdB- und Verwaltungsmitarbeiter gut zu erreichen sind. Aber einzelne Sportarten sind nach wie vor auf Sportmöglichkeiten außerhalb der Bundestagsliegenschaften angewiesen.
Die Sportbegeisterten aus dem Bundestagsumfeld sind heute deutlich zahlreicher, als in den 50er/60er Jahren. Damals waren es ca. 450 Mitglieder und heute sind 922 Aktive im Mitgliederverzeichnis der Sportgemeinschaft registriert (Stand November 2019).
Aber nicht nur die Anzahl der Mitglieder hat sich im Laufe der Jahre entwickelt. Auch diverse Sportarten sind dazu gekommen; für andere kann sich niemand mehr begeistern, wie für Bockspringen, Trockenrudern oder Schlittschuhlaufen. Dafür kann man sich heute mit Yoga, Karate & Co fit halten (siehe Startseite). Und dann gibt es ja noch die Klassiker, wie Fußball, Segeln und Boxen - letztere war die erste Sportart im Bundestag!
Die Zahl der weiblichen Sportbegeisterten hielt sich allerdings in Grenzen – wie auch insgesamt die Zahl der Frauen im Parlament. Unter den 410 Abgeordneten der ersten Legislaturperiode (1949-1953) fanden sich lediglich 28 Frauen. Das steigerte sich auch nur sehr langsam in der bundesrepublikanischen Wirklichkeit, wo Frauen nach dem Willen der vorherrschenden (Männer-)Meinung sich voll und ganz den drei „K`s“ (Kinder, Küche, Kirche) widmen sollten. Es galt: Kopf und Hände weg von der Politik, liebe Frauen!
Erst gegen Ende der 80er Jahre erreichte der Frauenanteil im Bundesdeutschen Parlament knapp 10%. Was noch nicht als Durchbruch einer parlamentarischen Emanzipation bezeichnet werden konnte, aber die Gleichberechtigungsansprüche der Frauen wurden deutlicher.
So verwundert es auch nicht, dass in den 50ern insgesamt rund 230 Parlamentarier sportlich aktiv waren, aber nur 4 Frauen – damals schon dabei Annemarie Renger, die bis 1990 im Deutschen Bundestag saß. Heute Liegt der Frauenanteil im Parlament bei 30,7% - wobei die Unterschiede zwischen den Fraktionen erheblich sind. Das Feld liegt hier zwischen 10,8% (AfD) und 58,2% (Grüne). In der Sportgemeinschaft insgesamt sieht es heute mit einem Frauenanteil von fast 32% sogar noch etwas fortschrittlicher aus, als im Bundesdeutschen Parlamentsdurchschnitt. Allerdings ist die Zahl der aktiven Abgeordneten selber erheblich zurückgegangen. Insgesamt sind von den 709 Parlamentariern nur 60 in der Sportgemeinschaft aktiv - die meisten davon beim Fußball und in der Motorradgruppe.
Auch wenn von Emanzipation in den 50ern noch keine Rede sein konnte, so war die Sportgemeinschaft im Bundestag doch von Beginn an auch ein Demokratie-Projekt: Jeder konnte mitmachen, egal ob Abgeordneter oder Mitarbeiter, Arbeiter oder Beamter. Auf dem Sportplatz gibt es keine Hierarchien, kein „oben“ und „unten“ – wer foult wird ausgebuht, wer gewinnt wird bejubelt - egal ob zur Arbeitskleidung Schlips oder Kochschürze gehört.
Mit sportlichen Grüßen
Ihr Vorstand Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag
im November 2019